Fiktive Geschichten zum Nachlesen und Nachdenken.
WALDFEE
Ein junges Mädchen fuhr nach der Schule in die benachbarte Ortschaft. Sie wollte sich Schuhe kaufen. Bei ihr auf dem Lande gab es keine Läden, bis auf einen kleinen Tante Emma Laden, wo man Brötchen, oder Stifte erwerben konnte, aber bestimmt keine Sneakers.
Nachdem es ihr gelungen war, sich ein Paar hübsche rote Sneakers zu kaufen, lief sie schnell zur Bushalte, denn der letzte Bus fuhr in wenigen Minuten ab und ihr Dorf lag mehr als 20 Kilometer weit weg. Zu Fuß könnte sie die Strecke bei einsetzender Dämmerung bestimmt nicht schaffen. (Mobile Telefone gab es zu der Zeit noch nicht.)
Sie wartete also an der Bushaltestelle, als plötzlich eine Frau an sie lautlos herantrat. Die Frau war im mittleren Alter, sie trug einen auffälligen, grünen Kapuzenumhang.
Dann streckte sie dem Mädchen ein 10,00 Euro Schein entgegen. „Ich glaube, du hast es verloren“, sagte sie und lächelte das Mädchen an.
Das Mädchen fuhr zusammen. Sie durchwühlte ihr Rucksack. Ihre Geldbörse war tatsächlich weg.
Da kam schon der Bus an. Das Mädchen schnappte sich das Geld, bedankte sich hastig und stieg in das Bus ein, wo sie beim Busfahrer ein Fahrschein vom geschenkten 10,00 € Schein kaufte.
Die Frau mit grünem Kapuzenumhang wartete so lange, bis der Bus abgefahren war. Sie winkte dem Mädchen freundlich zu.
Das Mädchen war sehr bestürzt. Die Frau erinnerte sie an eine märchenhafte Figur, vielleicht, an eine Waldfee.
Zu Hause, entdeckte das Mädchen, dass ihre Geldbörse gar nicht weg, war, sondern sich im Schuhkarton befand. Sie war in einen der Schuhe hineingerutscht.
Jahre vergingen. Das Mädchen ist zu einer Frau geworden. Eines Tages las sie ihren Kinder Gutenachtgeschichten vor. Sie waren heute Nachmittag in der Bücherei gewesen und brachten neue ausgeliehene Bücher mit.
Die junge Frau nahm das Buch in die Hand, das sich ihre Tochter in der Bücherkiste ausgesucht hatte.
Das Buch handelte über eine kleine Frau, mit grünem Umhang und einer Kapuze, die in ihrer kleinen Märchenwelt Menschen und Tieren aus der Not verhalf.
Ihre Tochter nahm das Buch mit in das Bett. „Das ist eine Fee!“, erklärte sie der Mutter. „Ich möchte sie bei mir haben. Sie wird mich beschützen!“
Nachdem ihre Tochter eingeschlafen war, nahm die Mutter das Buch an sich und setze sich im Sessel. Sie schaute sich noch mal in Ruhe die ganze Geschichte, mit all den hübschen Bildern, an.
Dabei hatte sie stets den Eindruck, dass die kleine Frau mit grüner Kapuze sie immer direkt anschaue, als ob sie ihr etwas sagen wolle. Es war sehr verwunderlich.
Die Erinnerungen kamen hoch. Plötzlich müsste sie heftig an die fremde Frau an der Bushaltestelle denken, vor mehr als 15 Jahren, die ihr damals, auf eine unerklärliche Weise aus der Patsche ausgeholfen hatte.
Sie überlegte letztendlich, ob das nicht ein Schutzengel in Gestalt einer Frau wäre, der damals, wie aus dem Nichts, an der Bushalte aufgetaucht war, um ihr zu helfen.
In nachfolgender Zeit kaufte die Mutter mehrere Bücher aus dieser Serie. Ihre Tochter liebte die Figur mit grünem Umhang. Es war ihre Lieblingsfigur und auch die Mutter, wenn die Kinder abends im Bett waren, fand etwas Zeit, um sich mit der Frau mit Kapuze aus dem Buch zu „unterhalten“.
Sie schloss dann ihre Augen, stellte eine Frage und schlug intuitiv eins der Bücher auf, dann las sie die Textabschnitte ab, die auf eine wundersame Art, Antworten und Botschaften auf ihre Gedanken preisgaben.
Nun, hier wäre die Geschichte zu Ende.
Die Frau hätte demnach ihren „Schutzengel“ von der Bushaltestelle wiedergefunden.
Für uns wäre an der Geschichte von Wichtigkeit, wir erkennen, dass sie es bewusst verinnerlicht hatte, dass es Schutzengel gäbe, die mit Menschen in Kontakt treten, um ihnen zu helfen.
Ob sie nur dabei bliebe, in Kinderbücher zu blättern, oder irgendwann mal angefangen hatte sich gründlicher mit der Kommunikation mit ihrem Schutzengel, oder sogar mit dem Jenseits zu beschäftigen, werden wir nicht erfahren, denn, wie gesagt, diese Geschichte ist nur erfunden worden.
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